Montag, 31. Juli 2017

Jetzt aber flott ... Lederwerkzeuge um 1350

Warum "flott" mag man sich jetzt fragen? Nun, das hat einzig und alleine den Grund dass heute der letzte Julitag ist und ich ohne diesen Beitrag echt ein Monat ohne Blogeintrag verbracht hätte. Pfui. Schande irgendwie.

Deshalb befassen wir uns heute ein wenig mit Lederwerkzeugen um 1350, also zum Ende der Hochgotik hin:

(1) Meine Lederwerkzeugrekonstruktionen nach Funden oder Abbildungen des 14.Jahrhunderts
My leather working tools, reconstructed after medieval findings or picture sources from mid-14th century


Our english-speaking guests can find an abstract at the end of the article 
Das Sammelbild oben zeigt was meine Werkzeugkiste so auf Anhieb an Lederwerkzeugen preisgegeben hat. Ein oder zwei Ahlen sind wohl noch irgendwo und den Hammer und den Klümpfel hab ich weggelassen weil es halt keine klassischen Lederwerkzeuge sind sondern eher den allgemeinen Klopfbedarf decken.

Sehen wir uns nun die Werkzeuge mal im Detail an:

(2) Ledermesser ("Viertelmond" ?) nach einem Fund aus Stralsund, 14. Jahrhundert
Knife for leather cutting, Stralsund, 14th century

Meine Rekonstruktion hat einen gedrechselten Griff aus Ahorn der auf die Angel aufgebrannt wurde. Und beim letzte Hammerschlag ein wenig gerissen ist. Hält aber bombig und den Simon, unseren Täschner, wird es hoffentlich nicht stören.

Die beiden nächsten Werkzeuge, Halbmond und Sohlmesser, lassen sich erfreulicherweise durch Fund (Sohlmesser) und durch Abbildung (beide) belegen und genau auf 1346-1350 datieren:

(3) "Halbmondmesser" der Zeit um 1350, nach Bildvorlagen aus Deutschland
A "half moon" knife for leather working dated around 1350, reconstructed from picture sources in Germany

Das erste Stück, ein so genanntes "Halbmondmesser" (ja, es sieht irgendwie aus wie eine Streitaxt für Zwergenzwerge) war eines der absolut typischen Werkzeuge des Schuhmacher und Schuster des Spätmittelalters. Man findet den "Halbmond" in seiner frühen Form daher sowohl auf Zunftsiegeln (5) als auch auf Stifterplatten oder an baulichen Elementen in Kirchen (6).
Um 1350 hat der "Halbmond" übrigens noch nicht den im 15.Jahrhundert typischen zusätzlichen Dornfortsatz (Nennt man das so? Ich hab nämlich keine Ahnung wofür das Spitzerl gut ist).

Hier ist der Griff in ein "Auge" eingesetzt und folgt somit den Konstruktionsprinzipien einer klassischen Axt. Der Stiel ist ebenfalls aus Ahorn, allerdings nicht gedrechselt sondern nur entrindet.

(4) Rekonstruktion eines "Sohlmessers" aus der Mitte des 14. Jahrhunderts, gefunden in Lübeck
My reconstruction of a "sole knife", mid 14th century, Lübeck, Germany


Während mir das "Sohlmesser" relativ neu war bis ich auf den entsprechenden Fundbericht stieß, dürfte es im 14.Jahrhundert ebenso wie der "Halbmond" ein recht typisches Ledermesser gewesen sein wie das Siegel des Schuhmacher- und Gerberamtes Hildesheim von 1346 zeigt (5):

(5) Hildesheimer Siegel des Schuhmacher- und Gerberamtesvon 1346, "Halbmond", "Sohlmesser" und ein paar Bundschuhe
Seal of the leather working guilds from Hildesheim, Germany, showing classical leatherworking tools of 1346
(6) Abschlussstein in eineim Kirchengewölbe der Hersfelder Pfarrkirche (um 1350 gesetzt) mit "Halbmond" und Schuhen
Stone from a church vault in Hersfelden, Germany. Placed aroud 1350

Auch das "Sohlmesser" hat einen gedrechselten und auf die Angel eingebrannten Griff aus Ahorn bekommen, wie man übrigens an dem angekogelten kleinen Astloch sehr deutlich sehen kann.

(7) Rekonstruierte Ahlen mit Heftformen des 14.Jahrhunderts, Vorlagen der Hefte aus Konstanz und Lund
Awl reconstructions following 14th century findings from Konstanz, Germany and Lund, Sweden

Die 4-kantigen Ahlen selbst sind gängigen Funden des Spätmittelalter nachempfunden und weisen die charakteristische 4-kantige Verdickung in der Mitte der Ahle auf. Bei den beiden Ahlen links und Dritte von links sieht man dass diese Verdickung wohl den Sinn hatte ein Eindrücken der Ahle in das hölzerne Heft zu vermeiden. Eine der Ahlen hat außerdem eine eiserne Zwinge um ein Brechen des Hefts bei gröberen Arbeiten und Verkanten zu vermeiden.

(8) Schlagpunzen für Leder nach Motiven aus Konstanz, Schleswig und London
Leather punches for leather decoration with motives found in Konstanz and Schleswig (Germany) und London (UK)

Lederpunzen kamen für zahlreiche Anwendungen in Frage. Motivpunzierungen wurden unter anderem auf Gürteln, Kästchen oder Futteralen aus Leder gefunden. Meine punzen sind primär für das Gürtlerhandwerk ausgelegt und werden mit einem Hammer oder Klümpfel in das Leder geschlagen. Daher sind sie in Stahl ausgeführt. Die Motive habe ich mit einem Meißel und einer Feile in die Punzen eingebracht bevor ich sie gehärtet habe.

(9) Locheisen für Leder nach Vorlagen aus Schleswig und anderen Grabungen in Deutschland
Irons for punching round holes into leather, forged according to findings from Germany

Locheisenfunde gibt es aus mehreren Grabungen in Deutschland, unter anderem in Schleswig. Meine Exemplare aus Stahl sind gehärtet, was für Leder nicht notwendig ist aber die zusätzliche Verwendung bei Buntmetallblechen erlaubt. Beide Locheisen sind eine Arbeit von Christian Gaede (unter diesem Namen auf Facebook zu finden) und das glückliche und prächtig funktionierende  Ergebnis eines gelungenen Tauschhandels.

(10) Nadelbüchse nach einem Fund aus London und handgemachte Nadeln aus Stahl wie ich sie für Lederarbeiten nutze
A needle case made from brass sheets after a finding from London and steel needles I made and use for leather working

Zum Abschluss dann etwas eher Altbekanntes: eine Nadelbüchse aus Messing (die ich mir von meiner Frau borgen durfte für die ich sie gemacht hab. Frauen sind wirklich lieb!) sowie zwei selbsgemachte Stahlnadeln mit geschlagenen Ör. Ich nutze lieber Nadeln, da ich keine Schuhe mache wo man eher mit eingeflochtenen Wildschweinborsten genäht hat. Weil ich es nämlich nicht kann ... und zwar das Schuhenähen genau so wenig wie das depperte Einflechten von Wildschweinborsten!

Abstract for our english speaking visitors:

Today I want to show off a little and proudly present the leather working tools I made for me and the IG14 craftsmen (Come and follow us on Facebook !).
After an overview (1) you will find a reconstructed  leather cutting knife (Stralsund, 14th century) (2) and more knives for leather working in pictures (3) and (4). Both are quite iconic for the years around 1350 and shown on some guild symbols (5)+(6).
They are follwed by awls (7), leather punches for decorating (8) and punching holes (9) into leather and my sewing euipment (neddlecase and steel neeels) (10).

If you have any questions about details or the sources I used for my reconstructiosn do not hesitate to contact me!