Samstag, 10. Januar 2015

Weihnachtsfreuden II

Wie sehr kann man sich selbst eine Freude machen? Ja, schon ein wenig. jedenfalls wenn man Tage an einem passenden Geschenk für sich selbst herumtüftelt, teure Materialien einigermaßen erfolgreich verwendet und am Schluss mit etwas in den Händen dasteht das sich "richtig" anfühlt.

Genau so eine freude wollte ich mir zu Weihnachten gönnen, aber das ging sich neben der Arbeit an dem Messer meiner Frau nicht so ganz aus. Also hab ich das Schenken streng weihnachtlich in den Vordergrund gestellt und mein Geschenk erst im neuen Jahr fertig gemacht.


Ausgerüstet mit der bei einem Freund eingetauschten Klinge und einer Schachtel von interessanten Materialien machte ich ich mal also im Advent auf den Weg. Angespornt war ich durch das häufige Vorkommen von roter Koralle in den Schmuckstücken des Wiener Neustädter Schatzfundes, der Freude bei der Verarbeitung von Bernstein und der Neugierde auf "das schwarze Zeug", Gagat!


Geplant war eigentlich ein "Österreich"-Messer, also Rot-Weiß-Rot mit Koralle, Knochen und Koralle, aber nachdem ich von den sonst verarbeitenden Plättchenmetallen Messing oder Eisen schon zu Silber ausgewichen war, die Sache gerade gut lief und meine Liebste mir während der Arbeiten am Messer einen Gagat-Trommelstein aus dem Schmuckgeschäft in die Hand drückte konnte ich nicht anders und musste den auch auf die Angel packen.


Und es sei gesagt: Während die rote Koralle sich nett und zuvorkommend verhielt war das arbeiten mit dem Gagat (oder auch Pechkohle genannt) in etwa so angenehm wie mit Nitroglyzerin zu gurgeln.
Gagat oder Jet(t), im Spätmittelalter wegen seiner tiefschwarzen Farbe recht geschätzt und z.B. zu Paternosterschnüren verarbeitet, ist ein fossiles Material welches durch Zemantation von Holz unter Luftabschluss entstanden ist, dass schon aus vorgeschichtlicher Zeit für Figuren bekannt ist. Und eine lokale Abbaustelle in Österreich gibts gleich noch dazu, denn in Gams wurde schon seit dem Mittelalter der "schwarze Bernstein" abgebaut. Also ran den den Speck, dachte ich mir! Schnecken!

Das Zeug ist, anders als Bernstein, unglaublich brüchig und neigt zum Brechen und Splittern, nicht gerade das Material das man sich eingezwängt zwischen 2 Silberplättchen wünscht wenn man mit kräftigen Schlägen ein Buchsbaumheft auf eine Angel prügelt. Und auch das Raspeln und Feilen war ein etwas knirschendes Erlebnis, denn kaum hatte ich einen Teil einigermaßen glatt splitterte an der anderen Seite wieder was ab. Grmpf!

Aber gut, letztendlich waren alle Pakete glatt und gleichmäßig. Sie sahen vor dem Polieren allerdings nicht gerade prickelnd aus. Aber mit langem Rumgerubbel mit Leder und feinem Sand und dann mit einem Leinenstreifen ist auch das in den Griff zu kriegen.


Fehlt also nur noch die Scheide, und animiert von Durchblättern hochgotischer Handschriften wollte ich diesmal: Einen Drachen! Und was liegt beim Drachen nahe? Der Heilige Georg natürlich! Und wieder ... Schnecken!

Es stellte sich heraus, dass um 1340 Darstellungen des Hl.Georg im Kampf mit dem Drachen so gut wie nicht zu finden sind. Im 15. Jahrhudnert - kein Problem! Aber in der ersten Hälfte des 14.? Nix, oder so gut wie nix, denn eine Handvoll hab ich schon gefunden, da war der gute Schorschi aber zu Pferd und nicht wirklich tauglich für die Griffhülse einer Messerscheide.

Also hab ich mich umorientiert und das Wappenthema aufgegriffen. Platz war für zwei Stück und so wurde es das Wiener Wappen in Kombination mit dem österreichischen Bindenschild.


Ein quadratisches Vierpassmuster ergänzte den Heftteil und mir blieb nur mehr der Drache! Da gibt es massig interessante Vorlagen in den zeitgenössischen Handschriften und meiner sollte eine kleine Synthese verschiedener abgebildeter Lindwürmerl werden.


Mehrfach in sich verwunden ist er, mit spitzen Ohren und haarigen Beinen. Und natürlich mit Flügeln, anders als moderne Abbildungen ähneln die in der Hochgotik aber weniger denen der Fledermaus als viel mehr einem fedrigen, oft sogar blütenblattähnlichem Flattergerät.
Und weil im Leder ein Fehler war und ich immer noch in der mir eigenen Sturheit am Hl.Georg festhielt setzte ich noch das Georgsbanner zum Kopf des Drachen. Damit er mich nicht irgendwann in die Finger beißt, der kleine Ringler.

Die Scheidenaufhängung hab ich mit einer 4-Punkt-Aufhängung konstruiert und weil meine liebe selbstgezeugte Fingerschlaufenweberin schulskikursbedingt ausfiel hab ich das Band ganz einfach mit einem Streifen Hirschleder realisiert.


Dann war nur mehr eins zu tun! Zufrieden zurücklehnen und befriedigt seufzen! Aber dann ... ein letztes Mal: Schnecken!
Denn kaum war ich fertig ging ich einem natürlichen Drang nach, platzierte mich auf dem Porzellanthron und nahm, ganz der Tradition folgend die dort liegende lachsrote Tageszeitung zur Hand. Udn was musste ich dort lesen? Ich wiederhole es: Nicht in einer Bilddantenbank, einem Fachartikel oder schweren Kunstbuch, nein, im "Standard" auf dem Klo stand geschrieben, dass der Engel Michael in den Zeiten vor der Spätgotik für das Drachenkämpfen zuständig war! Und tatsächlich, da findet man jede Menge Abbildungen dazu!

War aber jetzt zu spät ... naja, was solls. Auf die Scheide hat er es nicht geschafft, aber hier, an dieser Stelle,  will ich euch den Guten nicht vorenthalten:

Hl. Michael aus einer westdeutschen Miniatur
aus der ersten Hälfte des 14, Jahrhunderts