Montag, 13. April 2015

Eine Geschichte zweier Linien

Neues Messer!!! Nein, nur ein Scherz, diesmal geht's echt um was Anderes. Nämlich um Linien und Zaddeln und Säume und Nähte ... um eine Gugel konkret!

Abbildungen von Gugeln (für Die-nicht-vom-Fach-Seienden: Ein Kapuzenpulli ohne Pulli) findet man um die Mitte des 14.Jahrhunderts ja zu Hauf, da spar ich mir das Beispiel. weniger häufig aber immer noch reichlich findet man dann Gugeln mit Zaddeln, als Kapuzen mit speziell zugeschnittenen Säumen am Kragen:

Lilienfeld, Ö, 1350

Auch hier soll uns mal ein Beispiel genügen, auch wenn die ungeheure Vielzahl an verschiedenen Zaddelformen schon einen eigenen Beitrag wert wäre.

Deutlich spärlicher, aber immer noch recht leicht zu finden sind dann gezaddelte oder ungezaddelte Gugeln "mit den Linien" am Kragen. Ein besseres Fachwort fällt mir nicht ein, vielleicht "Doppelliniengugel"?

Auch hier zuerst mal ein Beispiel, konkret von einer ungezaddelten Gugel:

Lilienfeld, Ö, 1350

Und das Ganze mal in gezaddelt:

Alexanderroman, F/NL, 1340

Eben diese Linien haben mich schon immer fasziniert, denn wieso und warum da zwei  Linien malen?

Eine Möglichkeit wäre natürlich ein verspielter Illuminator, aber in den selben Handschriften sind sehr wohl auch Gugeln OHNE Linien. Daran liegt's dann wohl nicht.

Eine ander Möglichkeit wäre eine einfache, vielleicht aufgestickte Verzierung, denn man findet den Abstand zwischen den beiden Linien gelegentlich auch mit Punkt, Kreis oder Zackenmustern aufgefüllt. Wirklich schlüssig wurde diese Art der Naht erst als ich ein Bild aus dem Lutrellpsalter vor mir hatte:

Lutrell-Psalter, GB, um 1330

Hier sieht man wunderschön eine gefütterte Gugel, zaddellos diesmal, mit einer praktisch einmaligen Innenansicht. Und siehe da: Zwei Linien!

Da ich jetzt schon länger an einer neuen Gugel herumtüftle und für mich die Faktoren Zaddeln + Futter wichtig waren stand ich vor folgendem Problem:

Wenn gefüttert und gezaddelt, wie dann Futter und Oberstoff sinnvoll verbinden wenn es keine gemeinsame Unterkante gibt? Natürlich hätte ich die Zaddeln ebenfalls füttern können .. nur .. es gibt einfach keine Belege für gefütterte Zaddeln. Funde von einfach aus dem Stoff geschnittenen Zaddeln, ja, die gibt es z.B. in London. Aber gefütterte? Nein! Aber es gibt .. die zwei Linien:


Bei dieser mit Färberwau gefärbten Gugel aus 2/1 Köper, gefüttert mit sehr feinem Wollköper in Rotholzfärbung erschlagen die beide Stofflagen durchdringenden Doppellinien (wie oben im Lutrell-Psalter-beispiel) zwei Stofffliegen (den Begriff gibt es nur bei mir, und da nur wegen der 3 F hintereinander!) mit einer Klappe.

Die Linien verbinden Futter mit Oberstoff und schließen die lediglich ausgeschnittenen Zaddeln nach oben ab, so dass zu hoffen bleibt, dass auch nach vielmaligem Tragen und eventuellem Ausfransen die Zaddeln nicht den ganzen Kragen "zerlegen"


Die gut belegbaren aber schon etwas überstrapazierten Eichenlaubzaddeln hab ich hier mal nicht gemacht, sondern mich mit der Form an eine Art Hybrid zwischen den Laubzaddeln der 1.Hälfte des 14.Jahrhunderts und den geometrisch geprägten Zaddeln der 2.Hälfte gewagt.
Das Futter selbst hab ich auch nicht "verstürzt eingenäht" sondern an der einzigen, gesäumten Stoffkante, dem Gesichtsauschnitt, hab ich den Oberstoff nach innen geschlagen und überwendlich versäubert. Das gibt jetzt auch einen sehr schönen, stabilen Rand wenn man das Teil als Gugelhut tragen möchte!




Was jetzt noch fehlt sind Tragebilder von meinem neuen Prachtstück, die werd ich demnächst mal machen und dann bloggen, denn durch die nichtgesäumten Zaddeln fällt das Ganze als Gugelhut getragen richtig schön in einem flammenden Durcheinander aus gelben Oberstoffzaddeln und roten Unterstoffzaddeln. Sieht dann aber irgendwie aus als ob mein Kopf brennt .. naja, man kann nicht alles haben.