Mittwoch, 1. Februar 2017

Mit Volldampf zum Wohlstand!

Ich arbeite ja jetzt schon des längeren an einer neuen Stufe der Darstellung, dem Zechmeister oder eventuell sogar Erbbürger. Und weil so ein Guter ja auch was zu repräsentieren hat muss ein prachtvoller Gürtel her! Vor allem wenn es Zechmeister der Gürtler wird .. beim Zechmeister der Messerer kann aber was Protziges auch nicht schaden.

Während mir der passende Rock immer noch fehlt ist das Zubehör schon richtig gut auf dem Weg: Hut (und noch ein Hut, beide werden noch gebloggt), Baselard, Gürteltasche, Gewandschließen, Knöpfe nach Wr.Neustädter Fund, Schlüpfschuhe aus feinem Ziegenleder .. alles schon bereit! Natürlich nicht ohne Hilfe und da gibt es wie in der Oscar-Rede natürlich vielen zu danken: dem Dirk, der Heike, der Steffi, dem Tobias und dem unermüdlichen Karl. Und natürlich der Agnes die mein Werk beim letzten Basteltreffen in Rekordzeit während einer gemütlichen Plauderei so im Vorbeisitzen vollendet hat:

Gürtel aus rotem Leder, mit gelber Seide gefüttert. Beschläge allesamt aus Messing vergoldet, die Bleche sind graviert.
(1) Civic belt made from red leather with yellow silk lining. All metal parts are gilded and some of them were engraved

Our english-speaking guests can find an abstract at the end of the article

Der Gürtel selbst besteht aus einem tragenden Körper aus krappgefärbten Rindsleder und wurde (Danke, Agnes!) kunstvoll mit kreuzdornbeergefärbter Seide hinterlegt.
Ähnlich gefütterte Gürtel finden sich z.b. im Edinburgher Kronschatz und sind in der Literatur beschrieben. (Ilse Fingerlin, "Gürtel des hohen und späten Mittelalters")

Der Vorteil des Seidenfutters ist, dass die Kleidung durch die auf der Rückseite zu liegen kommenden Metallteil der Beschläge nicht beschädigt werden kann.

Beide Seiten des Gürtels, oben liegend die seidengefütterte Rückseite
(2) Both sides of the belt, on top the silk lined backside.

Die Beschläge habe ich abwechselnd gesetzt: Einmal ein klassischer, schmaler Bortenstrecker wie er in ganz Europa immer wieder archäologisch nachgewiesen ist und alternierend dazu eine 4-fache Fleur de Lis (nach einem englischen Fund).
Warum eine Lilie? Nun Ungarn war Wien sehr verbunden was den Handel anging und es hatte seit 1308 einen König (Karl I. Robert) aus dem Hause Anjou. Da schien es mir sehr passend blumig zu werden.

Vergoldete Gürtelbeschläge aus Messing, abwechselnd Bortenstrecker und vierfache Lilien
(3) Gilded belt mount made from brass, alternating bar mounts and quadrupled fleur de lis

Das Vergolden von Buntmetallbeschlägen war im 14.Jahrhundert keineswegs unüblich (und ist auch bei Knöpfen, Gewandschließen, Schnallen etc. zu finden) wenn auch mancherorts nicht gern gesehen, weil solche Stücke  zu leicht mit vergoldeten Silberbeschlägen verwechselt werden konnten.
Diese hatten nicht nur einen deutlich höheren Wert sondern lagen in der Domäne der Goldschmiede. Aus Londoner Gerichtsakten ist z.b. bekannt, dass es langjährige Rechtsstreitigkeiten zwischen Goldschmiede- und Gürtlerzeche gab wer denn nun, wenn überhaupt, Buntmetall vergolden und derartige Beschläge verbauen sollte.

Ob diese Verhältnisse auch für Wien zutrafen ist nicht geklärt. Allerdings ist durchaus bemerkenswert, dass es in Wien um 1328 überhaupt nur 5 (!) Meister in der Gürtlerzeche gab.
Dies spricht dafür dass Gürtel nicht zu den Exportgütern zählten (was anhand von Rechnungsbüchern belegbar ist) sondern wohl auch im großen Stil importiert wurde. Den Bedarf einer Großstadt mit tausenden Einwohnern mit nur einer handvoll Gürtlern zu decken dürfte unmöglich gewesen sein.
Ich gehe daher bisher davon aus, dass die Gürtlerbetriebe Wiens eher nur Spezialanfertigung nach Kundenwunsch anfertigten.

Die Gürtelbleche (Schnallenblech und Riemenzunge) sind, so wie zahlreichen Vorbilder aus dem 14.Jahrhundert, graviert worden (Danke, Tobias Eggert!), lediglich das Motiv habe ich selbst gewählt und angelehnt an Vorlagen aus der Buchmalerei entworfen: Den Erzengel Michael als Drachentöter auf dem Schnallenblech und den dazu gehörigen Drachen auf der Riemenzunge.

Der Erzengel Michael als Drachentöter
(4) The archangel Michael als dragon slayer

Bei der Riemenzunge möchte ich mich gleich vorweg bei zartbesaiteten Lesern und natürlich meiner kleinen Tochter Sophie entschuldigen: Ja, der Drache ist total süß! Und er ist sicher auch ganz lieb! Und der böse Michael krieg ihn eh nie, weil da an eine ganze Gürtellänge dazwischen ist ... voller Metallbeschläge über die er stolpert. Versprochen!

Der dazugehörige, arme und kleine Drache umgeben von gotischen Vierpassblüten
(5) The sweet little victim: A tiny dragon surrounded by gothic blossoms

Als letzten Beschlag habe ich noch einen Börsenbeschlag angebracht (eigentlich nach einem Londonfund, aber die Dinger gab es in der Form auch in Frankreich und Italien), schließlich will der Herr Zechmeister ja nicht nur mit Täschchen aus dem Haus sondern auch mal mit Beutelchen (und Messerchen).

Detail des montierten Börsenbeschlages
(6) A medieval, 14th century style purse hanger

Lieber als Beutelein und Messerlein trägt der Mann aber natürlich etwas Handfestes an der Hüfte. Und weil ich für einen coolen Friedensstifter Marke Samuel Colt ein paar Jahrhunderte zu früh unterwegs bin .. ist es eben ein Messer .. ein langes Messer .. ein Messer das hinter einer Tasche wohnt:

Der neue Gürtel in Kombination mit einem Dolchmesser und einer Gürteltasche
(7) The belt with his new "family": a dagger knive and a girdle purse

Natürlich ist der Terminus "Langes Messer" wie er auch im Wiener Stadtrecht vorkommt mit den Begriff "lang" ein sehr relativer Begriff, weiß doch jeder Kerl dass es nicht auf die Länge ankommt.

Viel mehr kommt es auch auf das Gewicht an und wie gut er ... ich meine, es, in der Hand liegt. Daher ist Länge eigentlich nur durch Gewicht begrenzt, was physikalisch totaler Unsinn ist in der Welt der Dolchmesser aber durchaus eine Rolle spielt. So ist denn meine andere Kombination zwar eine sehr schöne .. aber irgendwie fürchtet man ständig dass es einem das Gürtelchen vom wohlgenährten Wanst reißt wenn man mal was "Richtiges" dranhängt:

Eine andere Taschen-Dolch-Gürtelkombination
(8) Another combination of dagger, purse and belt

Auf Grund des stolzen Gewichts meines Baselards habe ich bei der Kombi wie oben im Bild jedenfalls Bauchweh .... und das nicht nur sprichwörtlich.
Was wiederum heißt ich brauch noch einen roten Gürtel ... aber man gönnt sich ja sonst nix *seufz*


Abstract for our english speaking visitors:

For my new representation of a wealthy craftsman around 1350 in Vienna I needed a new belt (1). So I made one from madder-dyed calf leather lined with yellow coloured silk. The silk lining is a method found on originals (e.g. Edinburgh) and was applied a) to give a nice contrast to the red front side of the belt (2) and b) to protect the clothing from the metal parts of the belt mounts (3).

The mounts (casted from brass and gilded afterwards) were chosen after different criteria: bar mounts were widely represented in whole Europe in this time and a quadrupled fleur de lis seemed reasonable since Vienna had very close ties to Hungary which had a King (Karl I Robert) from the french House of Anjou.


The  bucke plate as well as the strap end were made from brass sheets, then engraved and afterwards gilded. For the decoration I designed two figures: The archangel Michael in his function as dragon slayer for the buckle plate (4) and a cute little dragon for the strap end (5). Both were modelled after examples from medieval illuminations. I also placed an purse hanger on the belt, shown on picture (6) to be able to wear a classic aumônières in connection with an eating knife, while normally wearing my belts with a girdle bag and a dagger knife (7) or a Baselard (8)