Montag, 9. April 2018

Legt sie in Ketten

Licht! Licht ist das Einzige das dich im finstren Mittelalter davon abhält beim nächtlichen Abendessen die Krenwurz mit einer Ackerrübe zu verwechseln und eine tränenreiche Überraschung zu erleben. Licht ist das, was dir nach dem leeren diverser Zinnkannen beisteht, wenn es darum geht einen hartnäckigen Knoten in den Hosennesteln aufzukriegen während die Liebste wolllüstig auf die heilige Lanze .... lassen wir das ... zurück zum Wesentlichen:

HOW TO: Bau eines Glaslampenhalters mit historischem Werkzeug und Materialien
HOW TO: Making a glass lamp holder
with period tools and material


Wie jeder gute Geschichtsverehrer ging ich zuerst an die Recherche und fand schnell heraus was ich wollte: eine Jungfrau die in hauchdünnem Leinenkleid mein Lämpchen fest in ihren zarten Händen hält. Allein wegen der anstrengenden Haltetätigkeit hatte ich schon Kontakt mit einer 19-jährigen schwedischen Sportstudentin aufgenommen .. da sagte meine Frau: "Nein!"
Mit unschuldigen Welpenblick entgegnete ich "Aber, Schatz, die Belege ...". Aber meine Frau sagte nur: "Ja, klar. Belege. Und dann schicken sie uns einen Trampel der die Lampe SO rum hält!"
Einer solch fachkundigen Frau kann man einfach nicht widerstehen .. die Suche ging also weiter ...


4 "törichte Jungfrauen" von der "Oberen Pfarre" i nBamberg, 14.Jahrhundert.
4 "follish virgins" from Bamberg, 14th. century

In the beginning I started as usual with some research. And I found an answer very fast: We need a virgin! And since it must be really exausting to stand a whole day beside me in thin linnen underwear, sweating sweetly like a blossom in the spring while holding a burning lamp I immediately contacted the Swedish Bikini Team for a 19 years old graduate. Strangley my wife said "No!". And she argumented quite well: "We could get some stupid girl holding the lamp like THAT!" ... so I started again ..

Hängelampen waren im 14.Jahrhundert schon ein häufig anzutreffendes Phänomen. Davon zeugen diverse Abbildungen, hier nur ein paar Beispiele:

Beispiele für Hängelampen (Giotto, um 1300; Add MS 47682, um 1330 und Cod. Memb. I 120, um 1340)
Some examples of hangling lamps (Giotto, ca. 1300; Add MS 47682, ca. 1330 und Cod. Memb. I 120, ca. 1340)

Hanging lamps were quite common in the 14th century and are often shown in period art work.

Wie weit verbreitet gläserne Hängelampen waren ist bereits schwerer zu sagen, aber mit der starken Glasindustrie Böhmens und Venedigs quasi um die Ecke kann man in gehobenen Wiener Haushalten durchaus davon ausgehen. Funde aus Mainz, Prag, und Lübeck zeugen von einer recht großen Verbreitung. (PSA S.436-439)

Auch aus Nürnberg ist eine Glaslampe vollständig erhalten:
 
Glaslampe aus Nürnberg 14./15. Jhdt. (Quelle: IMAREAL, http://realonline.imareal.sbg.ac.at/detail/?archivnr=018687)
Glass lamp from Nurenberg 14./15.th cent. (Src.: IMAREAL, http://realonline.imareal.sbg.ac.at/detail/?archivnr=018687)

It's quite hard to identify depicted hanging lamps as glass lamps. Pictures like the one above in the middle (showing some kind of filling) are relativly rare. So we are lucky that there are some findings from Prague, Mainz, or Lübeck to work with. (PSA p. 436-439).

There is also an example from Nurenberg (s.a) 

Und vollständig erhaltene Lampenaufhängungen sind ebenfalls mehr als nur selten. Daher habe ich den einzigen gut rekonstruierbaren Fund aus London als Vorlage genommen.(TMH, S.132)

It's also quite hard to find artwork showing some useful (an not outright absurd) lamp holders. Findings are rare, too. The only complete ensemble (that I know of) was found in London (THM p. 132)  So I based my reconstruction on this example.

Die erste Entscheidung die es zu treffen gilt ist die Grundkonstruktion des eigentlichen Lampenträgers. Die Konstruktion wie beim Fund wäre natürlich eine Möglichkeit, da ich aber meine Lampe mit Halter doch hin und wieder mitnehmen möchte wollte ich eher etwas, das weniger zum "In-sich-komplett-verwurschteln" neigt und fand eine (deutlich frühere) Abbildung eines Lampenhalters in einem englischen Psalter (MS Laud misc 409). Die gefiel mir weil sie praktisch und plausibel schien. Außerdem lässt ein Fragment aus London darauf schließen dass die von mir gewählte Technik im 14. und 15. nicht unbekannt war:

Lampe mit solider "Stangenhalterung", england, 1200 (MS Laud misc 409)
Lamp with "solid bar holder", England, around 1200 (MS Laud misc 409)

Out of pure practical reasons I decided to make a simpler frame for my lamp than is the original from London and so I chose a much earlier construction form with a solid bar holder (see above). A fragment also found in London shows that this technique was also in use around the 14th century.

Also lasst uns mit dem Basteln anfangen .... so let's start working!

Die benötigten Werkzeuge habe ich wie immer in einem Bild zusammengefasst. In diesem Fall sind das ein Hammer (1), ein kleiner Amboss (2), Zangen zum Biegen des Drahtes (5), etwas Konisches mit rundem Querschnitt (in meinem Fall ein Locheisen) (3) und Öl, Sand und Leder zum anschließenden Polieren (4, 4a, 4b)

Die verwendeten historischen Werkzeuge
The historical tools I used

Let's start with the tools I used: a hammer (1), a small anvil (2), a conical object with round cross-section (in my case a punch), oil, sand and leather (4, 4a, 4b) and a pair of pliers (5)

Außerdem (weil ich immer irgendwas vergesse) braucht man natürlich noch eine Beißzange .. und irgendeine Möglichkeit das Messing weichzuglühen. Allerdings hab ich jetzt mal davon abgesehen meinen Specksteinofen zu fotografieren.


And you need one of  these of course, a cutting plier. You also need a solution for polishing the brass rods . but I forgot to take a picture of my soapstone oven.

Begonnen habe ich mit der Grundkonstruktion die aus 3 Messingstäben mit einem Durchmesser von 2,5mm besteht. Diese wurden an den Enden weichgeglüht und mit den Zangen zu einseitigen Ösen gebogen:


The first step was to glow the 2,5mm brass rods that will build the base for my lamp holder. Then the one sided loops were made using the pliers.

Nach dem Biegen werden die Stangen durch Hammerschläge wieder gehärtet.


After bending the loops the brass rods must be hardenend by hammering them on the anvil.

Das Grundgerüst ist jetzt gemacht. Wie beim Original aus London zeigen die Ösen an beiden Enden in entgegengesetze Richtungen:


The base parts are formed. As on the original found in London the loops face opposite directions.

Verbunden werden die drei Stangen jetzt mit großen Ringen die ich aus dem gleichen Material (2,5mm Messing) angefertigt habe. Dazu wird der Ringrohling zuerst weichgeglüht und dann grob in Form gebogen:


The brass rods will be connected by rings made from the same material (2,5mm brass). Therefore you glow the brass first and then roughly shape a ring.

Hinterher wird die Rohform auf dem konischen Metall (hier mein Locheisen) zurecht gehämmert bis sich ein schöner runder Ring ergibt. Dieser wird dann ebenfalls durch Hammerschläge gehärtet.


Afterwards you use a conical object (here I used my round punch) to hammer the rings into their final shape. The rings must then be hardenend by hammering them as well.

Da sich die Konstruktion im zusammengebauten Zustand nur schwer polieren lässt kommt jetzt das Schleifmittel zum Einsatz. Dafür mische ich Sand aus der Sandkiste meiner Kinder (die schon länger als Unkrautgarten ihr Ausgedinge fristet) mit Olivenöl zu einer dünnflüssigen Brei den ich dann mit dem Lederstück aufnehmen und wie Sandpapier verwenden kann:


Since the assembled construction will be very hard to polish I polished all the parts up front. So I mixed sand with olive oil to a watery paste and used the leather to get a kind of sandpaper.

Danach wird alles zusammengebaut. Trotz des Härtens sind zarte Verbiegungen noch möglich, also kann man nach dem Bau die noch vorhandenen Lücken mit leichten Hammerschlägen schließen.


After polishing you can start to assemble the parts. Since brass is still flexible enough even after hardening you can close the gaps neede for assembling with light hammer blows.

Als nächstes geht es an den Bau der Ketten für die Aufhängung. Dafür habe ich Messingdraht mit 0.8mm genommen (entspricht der dünnsten Nadelstärke im Londoner Fundgut). Weichglühen kann hier bereits entfallen, das Material lässt sich spielend leicht biegen. Die Form entspricht eigentlich genau den Stäben des Grundgerüsts:


Now you can start building the suspension chains. They are simliar in form to the massive rods but I made them from 0.8mm brass wire. That will hold a filled lamp easily and make the whole construction lighter and more graceful. Also you can now omit the glowing since the brass wire bends quite easy.

Nach dem Biegen der ganzen Kettenglieder aber bitte nicht aufs Hammerhärten vergessen:


Don't forget to harden the brass after you finished bending all your links!

Jetzt sollte ihr einen Haufen von solchen Dingsis herumliegen haben. Je nach Laune und gewünschter Aufhängungshöhe mal mehr mal weniger, mal kürzer, mal länger. Wichtig ist nur dass sich die Gesamtzahl durch Drei teilen lässt. Und natürlich das alle schön gebogen und gehärtet sind ...


After making some of the future chain links and hardening them you should have a certain amount of them ready. Oh, I forgot ... it's important that the summ is divideable by three! So I used to make them in groups of three from the beginning.

Die Kettenglieder werden jetzt ineinander gehängt, mit der Grundkonstruktion verbunden und alle Öffnungen mit der Zange geschlossen:


Now you can interlink the chains and attach them to the basic bar construction. Gaps can easily be closed using a fine plier.

Das komplizierteste Bauteil des Ganzen kommt natürlich zum Schluss, der Kettenverteiler. Im Fundgut sind diese Verteiler meist geschmiedet oder gegossen und recht solide gebaut. Beides kam für mich in der kurzen Bauphase die mir zur Verfügung stand leider nicht in Frage. 
Da ist es umso schöner dass das in London gefundene Original einen aus Draht gebauten Verteile aufweist, den ich versucht habe anhand der Abbildung im Buch (TMH, S.132) 
und orientiert an den massiven Originalen
(TMH, S.131) zu rekonstruieren:


The most difficult part to make is the branched holder the chains will be attached to. Most examples I know from publications are quite massive and either forged or casted. Both techniques were not possible to use in the short frame of time I had for my reconstruction. Luckily the surviving example from London I based my reconstruction on had a branch holder made from wire. So I went for this solution.

Ich bin sicher es gibt ein Dutzend Wege sich so ein Zeugs zusammenzubiegen .. meiner sah wie folgt aus: Zuerst wird das Grundgerüst aus starkem Messingdraht (ich hab einfach 1,5mm Draht genommen, weil der noch rumlag) gebogen, bei der Drahtstärke reichten die zwei Zangen noch gut aus:


There are for sure a dozen or more ways to bend such a piece. But this is the way I chose with 1.5mm brass wire and two pliers.

Um das Konstrukt zu fixieren habe ich es mit dünnen Messingdraht umwickelt. So scheint es auf dem erhaltenen Original auch gemacht worden zu sein.


To stabilize the construction I wound some thin brass wire around it. The picture of the original seems to indicate this method.

Der kleine Messingring der auf dem obigen Bild bereits zu sehen ist wird mit der Wicklung an der Unterseite des Kettenverteilers befestigt. Seine genaue Verwendung ist unklar, aber alle gegossenen oder geschmiedeten Exemplare weisen ebenfalls auf der Unterseite ein Loch oder ein Loch mit Ring daran auf. Ich vermute, dass das ganze als Aufhängung für einen Dochthalter gedient hat. Dazu möchte ich aber demnächst noch weiter Versuche mit unterschiedlichen Varianten machen.

Natürlich würde ich mich freuen wenn meine bastelfreudigen Leser da auch ein paar Ideen beisteuern möchten! Ich bin auf Facebook oder per Mail gut erreichbar.



At the bottom of the branched holder I wired a small brass ring into the construction since all of the forged and casted originals either have a hole or a hole with a ring in it. The exact function of the ring is unknown but I assume it can be used to mount a wick holder there. I will make some experiments on that theory and let you know what worked best (for me).

Zum Abschluss wird auf der Oberseite noch ein Haken für die Aufhängung gebogen. Die Originale weisen an dieser Stelle Ösen oder Löcher auf, bei wechselnden Living History-Kulissen sind allerdings fix eingeschlagene Haken schwer zu realisieren. Daher habe ich eine flexiblere Lösung gewählt. (siehe Bild zu Beginn des Abschnitts) 


The last step was the bending of hook on top of the branched holder. The originals I know of have either a hole or wire loop on top but since Living History locations change all the time I decided to use a more "flexible" solution.

 

Mehr wenn ihr mich wiederseht ... ihr müsst unbedingt gucken wie's weitergeht!
Let there be light!

 


Literatur / literature:

(PSA) - Phönix aus Sand und Asche- Glas des Mittelalters

E. Baumgartner/I. Krüger,
Klinkhardt u. B., M. (1990)

(TMH) -
The Medieval Household - Daily Living c.1150-c.1450E. Geoff,  Medieval Finds from Excavations in London (2010)